Die Marsch entlang der Unterweser

Das Stadtgebiet und die Geestkante habt ihr nun längst hinter euch gelassen. Wagt ihr nun einen Blick über die Ufer und die Deiche der Weser, seht ihr es: Das platte Land. Bäume finden sich hier seltener, da die Marsch aufgrund ihres hohen Nährstoffgehalts überwiegend als Acker- oder Weideland genutzt wird. Der hohe Nährstoffgehalt rührt daher, dass die Marschen aus Watt- und Brackwasserablagerungen bestehen, die neben organischen Gemengeteilen auch einen hohen Anteil an Kalk und Tonmineralen enthalten.

Ein Blick auf die typisch flache Landschaft der Wesermarsch.

Die heutige Marschoberfläche entstand durch das Eindeichen ehemaliger Watt- und Salzwiesenflächen. Wenn ihr auf die Karte schaut, könnt ihr außerdem erkennen, dass das Land von unzähligen kleinen Gräben durchzogen ist. Dies ist notwendig, da die Landschaft durch die Bedeichung nicht mehr natürlich entwässern kann. Des Weiteren liegt die Marsch oder das sog. Sietland häufig unterhalb des Meeresspiegels, da sie Setzungsprozessen unterlegen ist, die durch die Entwässerung noch schneller voranschreiten. Daher braucht es ein verzweigtes System aus Gräben, Sielen und Schöpfwerken, damit die Marsch nicht „ertrinkt“.

In prähistorischen Zeiten, als es noch keine Deiche gab, kann man sich die Küstenregion am Weser-Ästuar und am Jadebusen als weitverzweigtes Netz aus kleinen Flussläufen und sumpfigen Brackwasserbuchten vorstellen ². Der Übergang von Land zu Küste war fließender als heute und die ersten Siedlungen in dieser Region waren durch ihre Lage auf Geestrücken oder Uferwällen natürlich gegen Hochwasser geschützt. Es konnte nachgewiesen werden, dass es bereits zur Bronzezeit erste Siedlungsaktivitäten in der Wesermarsch gab ¹.

Im Untergrund der heutigen Marschoberfläche finden sich Sedimente, die wiederum noch älter sind und ebenfalls aus Wattsedimenten entstanden. Sie werden in Ostfriesland und der Wesermarsch dem Küstenholozän zugeordnet und überlagern die Geest ². Das Holozän beschreibt die geologische Gegenwart und beginnt vor ca. 12.000 Jahren. Zu dieser Zeit lag der Meeresspiegel aber noch etwa 50 m tiefer als heute ², die Küstenlinie der Nordsee befand sich also weiter nördlich. Im Bereich der heutigen Wesermarsch konnten sich keine Wattsedimente bilden. Dies geschah erst zwischen 8.000 und 7.000 Jahren vor heute, nachdem der Meeresspiegel weiter angestiegen war und die Lage der Küstenlinie in etwa mit der heutigen vergleichbar war ².

Schematischer Querschnitt durch die Wesermarsch. Neben den Sedimenten des Küstenholozäns befinden sich hier Ablagerungen der letzten Eiszeiten. Verändert nach Streif (1999) ³.

Im weiteren Verlauf des Holozäns gab es weitere Schwankungen des Meeresspiegels, die im Gegensatz zum vorherigen globalen Anstieg nach der Eiszeit, schwächer und regional begrenzt stattfanden. Dennoch können diese kleinen Schwankungen in den Sedimenten nachgewiesen werden: Rückte die Küstenlinie seewärts und ließ der Einfluss des Meeres nach, konnten sich Torfe bilden. Bewegte sie sich wieder landeinwärts, wuchsen die Torfe wegen des erhöhten Salzgehalts nicht weiter und wurden schließlich von Wattsedimenten überdeckt.

Diese Änderung in den Ablagerungsbedingungen trat mehrmals auf, was deutlich wird, wenn man sich das Küstenholozän im geologischen Profilschnitt anschaut (Zeichnung oben): Es sind zwei, manchmal auch drei dieser sog. Eingeschalteten Torfe vorhanden, die jeweils von klastischen Wattsedimenten und/oder Brackwasserablagerungen überlagert sind.

Bedeutende Torfbildungen, die auch als Leithorizonte benutzt werden, fanden um 6.000 J. v. h; ca. 4.000 J. v. h. („Mittlerer Torf“) und im ersten vorchristlichen Jahrtausend („Oberer Torf“) statt ². Der älteste Torfhorizont wird als Basaltorf bezeichnet, was seine Position im Hangenden der pleistozänen Ablagerungen beschreibt. Er bildete sich in Niederungen, in die die Geest entwässerte, bevor sich die ersten Wattsedimente ablagerten.

Bohrkern aus meiner Bachelorarbeit, die ich 2013 in Zusammenarbeit mit dem NIhK in Wilhelmshaven angefertigt habe. Die nummerierte Seite ist jeweils „oben“; von links nach rechts nimmt die Tiefe unter Geländeoberkante und das Alter der Ablagerungen also zu. Zu sehen sind Sedimente (A) und Torfe (B und C) des Küstenholozäns sowie eiszeitliche Sande aus dem Pleistozän (D). (Foto: Rolf Kiepe, NIhK).

Wie diese Sedimente nun in der Realität aussehen, zeigt das Foto auf der rechten Seite. Der Bohrkern stammt zwar aus der Marsch etwa 5 km nordwestlich von Wilhelmshaven, die Ablagerungen des Küstenholozäns ähneln sich jedoch sehr. Lediglich die Geest hat in Wilhelmshaven eine andere Ausprägung als an der Unterweser. Die einzelnen Teilkerne (0 bis 5) messen jeweils ca. einen Meter. Der erste Meter beginnt an der Geländeoberkante (unten links), jedoch ist hier etwas Sediment durch den Bohrvorgang verloren gegangen. In der Geologie werden Bohrkerne zumeist beginnend mit der ältesten Einheit beschrieben. Also geht es nicht mit dem ersten, sondern mit den letzten Metern (4 und 5) los: Hier seht ihr die pleistozänen Sedimente der Geest (D). Im Gegensatz zu den Sedimenten des Küstenholozäns sind die Anteile an Silt und Ton hier sehr gering, was die Unterscheidung sehr einfach macht. Am Ende des dritten Meters befindet sich der Basaltorf (C), der im Zuge einer Überflutung wieder von Sedimenten überdeckt wurde. Im Hangenden des Basaltorfs treten erneut Wattsedimente (A) auf, die bei ca. 3,5 m unter GOK viele Schilfreste aufweisen, was auf einen Uferbereich schließen lässt. Dies entspricht den Brackwasserablagerungen aus der Zeichnung oben. Die Sedimente werden im zweiten Meter vom Oberen Torf (B) abgelöst, der aus Nieder- und Hochmoortorf aufgebaut ist (siehe nächster Absatz). Der Obere Torf wurde ebenfalls überflutet und von Wattsedimenten überdeckt, die bis in den ersten Meter reichen. Sie stammen aus der Zeit, als die Gegend um Wilhelmshaven noch nicht eingedeicht war. Hier bestand bis ins Mittelalter nämlich noch die Maadebucht. Direkt unter GOK findet sich künstlicher Auftrag (E), d.h. vom Menschen herangetragenes, sandiges Material, in dem z.B. Beton- oder Ziegelbruch vorkommen.

Zur Zeit des Oberen Torfs verschob sich die Küstenlinie soweit seewärts, dass sich die bis dahin als Niedermoore ausgebildeten Torflandschaften in Hochmoore wandelten. Durch die weit entfernte Küste sank auch der Grundwasserspiegel ab, sodass die grundwassergespeiste Niedermoorvegetation einer Hochmoorvegetation weichen musste, die über Regenwasser versorgt wird. Während eine typische Niedermoorvegetation beispielsweise aus Rohrkolben (Typha spec.), Seggen (Carex spec.) oder Binsen (Juncus spec.) besteht, finden sich im Hochmoor hauptsächlich Torfmoose (Sphagnum spec.), Wollgräser (Eriophorum spec.), der Gagelstrauch (Myrica gale) oder Heidekrautgewächse (Ericaceae).

Der Wechsel kann flächenhaft am Jadebusen und der Wesermarsch nachgewiesen werden. Es sind jedoch auch Bereiche bekannt, in denen er nicht stattfand, sodass davon ausgegangen werden kann, dass noch weitere, lokale hydrologische Faktoren zum Tragen kamen ². Westlich des Jadebusen und in der nördlichen Wesermarsch wurde der Hochmoortorf während der Sturmfluten des Mittelalters wieder von marinen Sedimenten überdeckt, stellenweise steht er aber immer noch an der Geländeoberfläche an. Beispiele wären hier das Schweiburger Moor oder das Außendeichsmoor bei Sehestedt am östlichen Jadebusen.


Literatur:

  1. Precht, Georg (2008): Die Keramik der jungbronze- bis früheisenzeitlichen SiedlungRodenkirchen-Hahnenknooper Mühle, Wesermarsch. (Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet, Bd. 32, pp. 197-241)
  2. Streif, Hansjörg (1990): Sammlung Geologischer Führer Band 57, Das Ostfriesische Küstengebiet; Inseln, Watten, Marschen. Borntraeger-Verlag. 380 S., 58 Abb., 10 Tab
  3. Grabemann, H. J.; Grabemann, I.; Müller, A.; Streif, H. J.; Bischoff, S.; Schirmer, M.; Kettler, J. ; Steinweg, B.; Vanek,V. & Schütz, W. (1999): Die Unterweser 1999. (Veröffentlicht auf der Homepage von BUISY–Bremer Umweltinformationssystem, Senator für Bau und Umwelt Bremen https://ssl.bremen.de/bauumwelt/sixcms/media.php/13/Die+Unterweser+1999.pdf Aufgerufen im April 2017)

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